Arbeiten im Hospiz/Hospizverein – eine Herzensangelegenheit, zwei Frauen
Interview von Berit Biberger mit Jana Kohlisch und Sabine Brehme
Wir einigen uns auf „Du“. „Wenn ich ins Hospiz käme, dann würden wir zueinander „Du“ sagen, oder?!“ begrüßen sich Jana Kohlisch und Sabine Brehme, die einander bisher nicht kennenlernten.
Eine besondere Atmosphäre. Die beiden Frauen verbindet ihr Engagement in der Hospiz-Arbeit. Jana Kohlisch ist als Angestellte Teilzeitkraft neben weiteren ausschließlich Teilzeitkräften im Hospiz in Polling angestellt. Sie und ihre Kolleginnen sind für maximal 10 Gäste im Hospiz 24 Stunden da. „Wir haben Zeit für die Menschen. Es ist gut, Teilzeit zu arbeiten. So haben wir genügend Freiraum, immer wieder aufzutanken. Das ist sehr wichtig. Das tut uns und den Gästen gut.“ erzählt Jana. „Früher habe ich in einem Krankenhaus gearbeitet, da war der Fokus darauf gerichtet, das medizinisch Mögliche für die Patienten zu tun. Im Hospiz ist die Ausrichtung anders, der Weg ist schon klar. Die Gäste im Hospiz werden bald sterben und wir begleiten sie an allen Tagen, in denen sie leben, schenken ihnen Lebens-Qualität.“
„Und wie kann ich mir ambulanten Hospizdienst vorstellen? Wie sieht diese Begleitung von der Jana spricht bei dir aus, Sabine?“ „Meine ambulante Hospizarbeit ist ehrenamtlich. Über den Hospizverein entsteht der Kontakt zu den Menschen, die ich begleite. In der Regel eine Person, so lange, bis sie verstirbt. Das ist natürlich anders als im Hospiz. Ich komme oft zu den Menschen, wenn sie in ihrem privaten Umfeld leben. Manche ehrenamtlichen Hospiz-Helfer arbeiten auch immer wieder in der Hospiz-Station und machen dort sowohl Tages- als auch Nachtdienst. Was mir auffällt ist, dass bei uns beiden die Person im Zentrum steht, die bald sterben wird. Die Zeit am Tag, die ich bei dem*r Begleiteten bin ist einzig und allein dessen Zeit. Ich stelle mich als Person mit meinen Bedürfnissen ganz zurück. Und ich bin nicht nur für die Begleitperson da, sondern sozusagen indirekt auch für die Angehörigen. Denn dadurch, dass ich da bin, können sie einmal ihrem Leben nachgehen. Oft ganz profanen Dingen, wie Einkaufen, zum Frisör gehen, oder auch selber einmal einen Arzt-Termin wahrnehmen. Ich schenke der Begleitperson Zeit und auch den Angehörigen.“
„Wenn du darüber sprichst, den Menschen Zeit zu schenken, Sabine, dann nickst du, Jana. Wie sieht dieses „Zeit schenken“ im stationären Rahmen aus?“
„Da ist viel Kreativität gefragt. Wir versuchen Geborgenheit für alle unsere Gäste zu schaffen. Das kann zum Beispiel das liebevolle Bereiten des Frühstücks sein. Oder ein Bad in der großen Wellnessbadewanne, das dank Hilfsmitteln möglich ist, während es zuhause zu gefährlich oder unmöglich gewesen wäre. Wichtig ist mir, dass der medizinische Ansatz die Symptomkontrolle ist. Unsere Gäste sollen nicht unter Schmerzen, Atemnot, Angst, Übelkeit… leiden. Das ist für das Wohlbefinden als erstes wichtig. Sonst kann man auch den Rest, wie Essen oder ein Bad nicht genießen.“
„Was ist das Schwierige an eurer Hospiz-Arbeit?“
„Wir lernen die Menschen erst dann kennen, wenn sie schon sehr krank sind. Äußerlich haben sie sich verändert, auch oft in ihrem Verhalten.“ antwortet Sabine. „Die Angehörigen und Freunde kennen die Menschen aber oft über Jahrzehnte ganz anders, sie leiden unter den Veränderungen. Die Begleiteten müssen es aushalten können, manches nicht mehr klären zu können. Das Loslassen fällt manchen unfassbar schwer.“ „Es ist ein wirkliches Geschenk, loslassen zu können, mit sich im Frieden zu sein. Sagen zu können >alles ist geklärt<“ bestätigt auch Jana.
Das Hospiz in Polling ist eine überkonfessionelle Einrichtung.
„Jeder glaubt an irgendetwas“ sagt Jana, „wer an Nichts glaubt, der stirbt schwerer“ bestätigt auch Sabine. „Der Moment und etwa eine halbe Stunde nachdem ein Mensch gestorben ist, der setzt mich in Ehrfurcht. Es ist da etwas Heiliges im Tod.“ erinnern sich beide – sich einander zuwendend.
Die besondere Atmosphäre ist wieder spürbar.
„Was ich besonders schlimm empfinde in meiner ehrenamtlichen Tätigkeit ist der überall erkennbare Pflegenotstand“, sagt Sabine Brehme. „Das ist im Seniorenheim so intensiv spürbar. Es sollte überall so sein, wie im Hospiz, da haben die Mitarbeiter*innen genügend Zeit.“ Jana nickt zustimmend. Sie hat es selbst als Krankenschwester erlebt, immer gehetzt arbeiten zu müssen.
„Wie seid ihr eigentlich zur Hospiz-Arbeit gekommen?“
„Bei mir war es eher so ein >inneres Werden<“ antwortet Sabine. „Ich wollte unbedingt die Qualität des Lebens gestalten. Es sind Lebende, die Leben. Die zwar sehr bald sterben werden, aber es sind Lebende.“ beschreibt Jana. „Wenn ich mit Sterbenden zu tun habe, nehme ich mein eigenes Leben viel stärker wahr.“ ergänzt Sabine „Ich darf ganz da sein, auch einmal mit dem Begleiteten zusammen weinen. Ich darf emotional sein.“ fügt Jana hinzu. Und ich, als Interviewende, darf wieder dieses einander wissend zugewandt-sein beider Frauen spüren.
Zum Abschluss des Interviews frage ich nach der Motivation „Man muss sich selbst verlangsamen, so wie man bei einem Neugeborenen viel Geduld und eigene Langsamkeit mitbringt, ist es auch am Ende des Lebens.“ antwortet Sabine Brehme und Jana Kohlisch ergänzt „eine Geburt wird gefeiert wie ein Fest. Das Sterben sollte genauso einen Stellenwert bekommen. Sterben kann schön sein. Wertvoll für beide Seiten.“
Es sollte bitte keiner Scheu haben, sich an den Hospiz-Verein zu wenden.
Ein Dankeschön seitens der Kirchengemeinde für dieses Gespräch und herzlicher Dank für den Dienst!
Erschienen in: Kirchenbote der evang.-luth. Kirchengemeinde Peißenberg, 01/2019, S. 5-7